Geschichte der Matthiaskapelle
Die Matthiaskapelle liegt hoch über dem Moseltal zwischen den Ruinen der längst zerstörten Oberburg. Einzigartig wie ihre Lage – vergleichbar mit der Burgkapelle in Vianden – ist auch ihre künstlerische Gestalt, die nur aus ihrer ursprünglichen Funktion als Reliquien- und Wallfahrtskapelle zu verstehen ist: In der Kapelle wurde das Haupt des Apostels Matthias aufbewahrt. Möglicherweise brachte ein Ritter von Isenburg diese Reliquie von einem Kreuzzug mit und ließ daraufhin um 1230 die Matthiaskapelle wahrscheinlich nach dem Vorbild der Grabeskirche in Jerusalem errichten. Die Reliquie blieb bis vor 1347 in Kobern, danach wurde sie an verschiedenen Orten – unter anderem auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz – aufbewahrt, bis sie schließlich 1927 in die Benediktinerabtei St. Matthias in Trier gebracht wurde und dort bis heute geblieben ist.
Die Matthiaskapelle ist ein sechsseitiger Zentralbau mit reich gegliedertem Innenraum. Die Säulen und Kapitelle sind Meisterwerke der Frühgotik. Ihren Erhalt verdankt die Kapelle der katholischen Pfarrgemeinde Kobern, die sie 1819 an den preußischen Staat verkaufte. Nachdem der Kronprinz Friedrich Wilhem (IV.) die Kapelle besucht hatte, beauftragte er den Koblenzer Architekten Johann Claudius von Lassaulx mit den Restaurierungsmaßnahmen, die bis 1844 durchgeführt wurden. Damals entstand der kostbare, aus verschiedenfarbigen Plättchen zusammengesetzte Fußboden. Heute widmet sich besonders die St. Matthias-Bruderschaft Kobern der Pflege der Kapelle. Neben der Kapelle, im noch erhaltenen romanischen Bergfried der Oberburg, befindet sich heute eine Gaststätte. (Aus „Reisezeit - Zeitreise“. Verlag Schnell + Steiner. 2010)
Als Aufbewahrungsort der Reliquie des Apostels Matthias im 13. Jh. errichtet, erstrahlt die Matthiaskapelle heute im Glanz des 19. Jh., als sie der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. aufwendig von Johann Claudius Lassaulx restaurieren ließ. Schon vom Äußeren her erinnert die Matthiaskapelle an ein Abbild der Grabeskirche von Jerusalem. Weitere Merkmale, wie der polygonale und zentrale Grundriss, der turmartig erhöhte Mittelraum sowie der seitenschiffartige Umgang unterstreichen diesen Eindruck. Der Mittelraum, dessen sechsteilige Kuppel von Säulen mit Knospenkapitellen getragen wird, könnte der Aufbewahrungsort der Matthiasreliquie gewesen sein. Um die Kapelle herum befinden sich die ebenfalls sehr sehenswerten Überreste der Oberburg aus dem 12. Jh.
Wahrscheinlich um 1220 oder 1230 erbaut, gehört die 1359 erstmals urkundlich erwähnte Matthiaskapelle zu den kunstvollsten Werken spätstaufischer Architektur im Rheinland. Lediglich die Burgkapelle von Vianden ist von ähnlicher künstlerischer Bedeutung. Als möglicher Entstehungsgrund wird die Teilnahme Heinrichs von Kobern am Kreuzzug nach Damiette in den Jahren 1217 bis 1221 erwogen. Der Sohn Gerlachs III. von Isenburg brachte von diesem Ereignis die Matthiasreliquie mit, die künftig einen adäquaten Aufbewahrungsort benötigte.
Die Matthiaskapelle bewahrte die Reliquie bis 1347 auf, bevor sie über Sayn 1381 zur Burg Helfenstein und 1420 in den Trierer Dom gelangte. Seit 1927 wird die Reliquie in der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier aufbewahrt, die bereits seit 1127 die Hauptreliquien des Apostels Matthias aufbewahrt. In den Jahren 1770 bis 1807 bewachte ein Eremit, der sich im Bergfried der Oberburg ein Gemach eingerichtet hatte, die Matthiaskapelle. Nach seinem Ableben sollte diese abgerissen werden, doch eine katholische Pfarrgemeinde rettete sie vor diesem Schicksal und verkaufte sie 1819 an den preußischen Staat. Nachdem sich König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen bei einem Besuch der Kapelle ein Bild ihres Zustandes gemacht hatte, sorgte er zusammen mit dem Architekten Johann Claudius von Lassaulx für die Durchführung umfangreicher Restaurierungsmaßnahmen in den Jahren 1836 bis 1844. Eine weitere Sanierung fand über ein Jahrhundert später statt, als die rheinland-pfälzische Schlösserverwaltung von 1989 bis 1998 sowohl das Innere aufwendig rekonstruierte als auch eine statische Sicherung des Baus vornahm. Die kreisrunde Apsis scheint noch vom Vorgängerbau zu stammen und in den „Neubau“ integriert worden zu sein.
Das Innere der Kapelle strahlt den Reichtum der Spätromantik des 19. Jh. aus. Der seitenschiffartige Umgang ist mit einem Ringtonnengewölbe und Fenstern mit Kleeblattbogenarkaden versehen. Das Kleeblattbogenmuster ist ein Indiz für Handwerker aus dem mittel- und niederrheinischen Gebiet.
Der Chor wurde von Handwerkern aus dem oberrheinischen Gebiet geschaffen. Der Fußboden, bestehend aus mosaikartig angelegten, farbigen Tonplättchen wurde von Lassaulx in den Jahren 1837 bis 1844 verlegt. Bei der Fußbodensanierung im 20. Jh. erneuerte man die Farben des 19. Jh., die den einstigen mittelalterlichen Farben sehr nahe kommen. Von außen präsentiert sich die Kapelle als nüchtern wirkender Bau, bei dem sich Lisenen und Bogenfriese vereinigen. Die Portalkapitelle sind nach einem Teildiebstahl ersetzt worden, so dass der Besucher eine Kopie vorfindet. Heute wird die Matthiaskapelle von der Matthias-Bruderschaft Kobern gepflegt.
Quelle: Staatliche Burgen, Schlösser und Altertümer in Rheinland-Pfalz. Hrsg. von Landesamt für Denkmalpflege, Burgen, Schlösser, Altertümer RheinlandPfalz. Koblenz 2003 (Heft 7). S. 98-101.